(1) wo kommen eigentlich die kinder her?
(2) faszination fußball
(3) gibt es heute eigentlich noch helden?
(4) schöne worte




Zweites Expertengespräch

Faszination Fußball


Kuttner : ..zehn Minuten vor drei, natürlich nicht in Wirklichkeit, sondern nur hier im Studio. Andererseits sind wir natürlich doch in Wirklichkeit (Anm.1) zu einer Zeit im Studio, als wir wirklich im Studio gesessen haben, während zu der Zeit, wenn dieses Band laufen wird, wird es schon weit nach 22.00 Uhr sein. Viele junge Hörer werden bereits im Bett liegen; es ist auch ein brisantes Thema, da müßte man schon seine Eltern wahrscheinlich vorher fragen, ob man dann hier Radio hören und sich überhaupt am Gespräch beteiligen darf. Wie dem auch sei, das Thema heute lautet: Faszination Fußball. Und es ist mir wieder mit..., also teuer war er nicht, aber es ist mir dann doch gelungen, wiedereinmal Stefan Schwarz ins Studio zu lotsen. Guten Abend, Stefan.

Schwarz: Guten Abend.

Kuttner: Du bist ja nun ausgewiesener Spezialist für Fußballfragen...

Schwarz: Eigentlich Fußballhistoriograph!

Kuttner: Was das Skatgericht in Altenburg (Anm.2) ist, bist Du für den Fußball: ein Vordenker, und man möchte fast sagen auch ein Theoretiker dieses Schachs auf dem grünen Rasen, dieses Königs der Spiele. Worin besteht denn nun die Faszination des Fußballspiels?

Schwarz: Ja, das ist noch nicht ganz erforscht. Relativ klar ist aber, daß die Faszination des Fußballspiels im Mittelalter eine Faszination des Ekels war.

Kuttner: Wieso des Ekels? Weil die da noch nicht die flotten, schicken Gummibälle hatten, sondern noch mit zusammengeknüllten Lumpen...

Schwarz: Nein, nein, dazu muß man wissen, aus welchem Ereignis heraus der Fußball überhaupt entstanden ist.

Kuttner: Ja, da könnte ich mir vorstellen, daß das viele unserer Hörer interessiert. Und damit würde ich Dich von hier, vom Studio aus, aus der Berliner Nalepastraße, Stefan Schwarz, würde ich Dich bitten, uns diese Frage doch zu beantworten. Wie ist denn das Fußballspiel nun eigentlich entstanden?

Schwarz: Der Fußball in der Form, wie wir ihn kennen, also als Ballspiel, als Spiel zwischen Mannschaften, ist ja 1251/52 entstanden.

Kuttner: Ja, die Zahl ist ja bekannt.

Schwarz: Ja. Und zwar zur Zeit, als eine riesengroße Pestwelle über Europa hinwegschwappte.

Kuttner: Ja.

Schwarz: Und man kann relativ sagen, es war in Avignon. Das liegt in Frankreich. Normalerweise wird ja behauptet, daß der Fußball aus Großbritannien oder aus England kommt, das ist aber nicht richtig...

Kuttner: Andere verweisen ja auch auf Tibet .

Schwarz: Ja, das gibt es auch. Es gibt eine Menge unorthodoxer Auslegungen, aber die orthodoxe Auslegung ist, daß in Avignon 1251/52 das Fußballspiel in der Form, wie wir es heute kennen, erfunden worden ist.

Kuttner: Was führte denn dazu, daß die Avignoner, direkt die Pestwelle vor sich, angefangen haben, Fußball zu spielen, ohne daß überhaupt z.B. ein Fernseher erfunden war (Anm.3)?

Schwarz: Nee, nee.

Kuttner: Was ja überhaupt nicht zusammengeht, Fußball ohne daß ein Fernseher da ist.

Schwarz: Es ist zwar erst als Spiel praktiziert worden, aber es war danach eher ein Ritual. Das Problem bestand darin, daß damals, 1251 im Sommer, sagt man - man kann das nicht mehr genau zurückverfolgen - ist ein Pestkarren, die Pest war in der Stadt , Pestkarren rollten durch die ganze Stadt und über die Straßen, diese holprigen Straßen, Avignon war befestigt, früher gab es ja in den mittelalterlichen Städten teilweise überhaupt keine Straßen. Und jedenfalls ist ein Pestwagen durch diese holprigen Straßen gefahren und hat einen Lumpenklumpen verloren.

Kuttner: Ja.

Schwarz: Einen Lumpenklumpen, der offensichtlich von einem Pestkranken stammte!

Kuttner: Und dieser Lumpenklumpen war im Grunde der erste Fußball!

Schwarz: Das war der Lumpenklumpen des Anstoßes, würde ich mal sagen, das war der erste Anstoß, denn es gab ja Passanten, die natürlich versucht haben, sofort diesen sehr verseuchten Lumpenklumpen irgendwie zur Seite zu schießen, die Anwohner der gegenüberliegenden Straßenseite haben selbstverständlich versucht, sich dieses Lumpenklumpens zu entledigen, den wieder zurückzuschnippsen, und so ging das Spielen, oder das Hin- und Herstoßen...

Kuttner: Bis er dann wahrscheinlich in einer Toreinfahrt landete!

Schwarz: Nein, nein, es ging darum, diesen Lumpenklumpen im Laufe der Wechsel - das ging über Tage - ja, immer wieder wurde dieser Lumpenklumpen hin- und hergeschossen mit den Füßen - an den Füßen hat man die geringste Gefahr angesteckt zu werden. Deswegen unter anderem auch die Regel, niemals mit den Händen, mit denen man ja auch ißt und sich und anderen über den Mund fährt, niemals mit den Händen den Ball, d.h. den pestursprünglichen Lumpenklumpen anzufassen . Kurzum, man hat versucht, mit den Füßen hin- und herzuschießen, um diesen Lumpenklumpen vor die Stadt zu bringen.

Kuttner: Ja. Das ist ja offensichtlich... In Avignon, wie ist das Spiel eigentlich ausgegangen, das erste Spiel?

Schwarz: Das ist nicht bekannt, weil die Stadt kurz darauf von der Pest fast vollständig ausgerottet worden ist.

Kuttner: Ach, da hat wahrscheinlich doch jemand Hand gemacht!

Schwarz: Ja, ich befürchte auch.

Kuttner: Und dann haben die sich alle angesteckt am Lumpenklumpen. Also, ich glaube, wir haben eine gute Erklärung jetzt gefunden, sowohl dafür, wie Fußball überhaupt entstanden ist, und warum man beim Fußball nicht Hand machen sollte.

Schwarz: Das ist richtig. Hallo nach Deutschland!







Anmerkungen:

Anm.1: Im philosophischen Disput seit Thales von Milet (nicht zu verwechseln mit "Duck Tales" von Walt Disney) kursieren unterschiedlichste Aussagen von selbsternannten "Realitätologen" (Demokrit, Thomas von Aquino, Hermann, Uwe und Immanuel Kant, Sarah Thustra sowie Eby Thust), die sich auf drei Sichtweisen reduzieren lassen:
1. "Realität? Find ich gut!"
2. "Die Realität ist eine Konstruktion"
3. "Die Realität ist ein Geschenk Gottes"
Da wir persönlich eher der dritten Perspektive zuneigen, was freilich wurscht ist, da wir noch nie eine irgendeine Weltanschauung zur Grundlage unseres Handelns erhoben haben, kommen wir, dank unserer tiefen Herzensbildung, trotzdem nicht umhin, zu bekräftigen: Einem Geschenk Gottes schaut man nicht ins Maul! Somit sind - von uns jedenfalls - keinerlei Beiträge mehr zu einer zwangsläufig blasphemischen Diskussion des Wirklichkeitsbegriffes zu erwarten. Ende der Anmerkung! zurück


Anm.2: Im Zuge der deutschen Teilung haben sich allerdings mehrere Skatgerichte entwickelt, die heute, PEN-mäßig, heftig miteinander hadern. Eine versöhnende Lichtgestalt vom Schlage Grassens ist für den Bereich des am innigsten dem deutschen Schicksal verpflichteten Kartenspiels noch nicht auszumachen. Von der Vielzahl der gegenwärtig existierenden Skatgerichte bevorzugen wir das mit Knödeln, Rotkraut und schöner, an Sämigkeit nicht zu überbietender Soße. zurück

Anm.3: Da geht es der Geschichte nicht anders als uns vor Weihnachten: es ist wahrlich nicht leicht, zum rechten Zeitpunkt alles beisammen zu haben. Historiker sprechen in diesem Zusammenhang von Synchronisationsdefiziten des geschichtlichen Prozesses. Eine in beispielhafter Weise tragische Gestalt war Phillip Reiss, dem es zwar glückte ein funktionierendes Telefon zu erfinden, das dann aber lange bei ihm rumstand, weil er niemanden hatte, den er anrufen konnte. zurück