(1) wo kommen eigentlich die kinder her?
(2) faszination fußball
(3) gibt es heute eigentlich noch helden?
(4) schöne worte




Erstes Expertengespräch

Wo kommen eigentlich
die Kinder her



Kuttner: Das Lämpchen leuchtet rot, ich denke, wir sind jetzt auf Sendung. Mir gegenüber sitzt wieder einmal ein Experte, ein Mann, der sich auf den Kinderspielplätzen dieser Welt rumgetrieben hat bis kurz vor die totale Infantilisierung. Der bekannte, berühmte, bei Kindern allerdings weniger beliebte Kinderforscher Stefan Schwarz.

Schwarz: Hallo, hallo!

Kuttner: Guten Abend, Stefan.

Schwarz: Guten Abend.

Kuttner: Das Springseil hat er noch in der Hand. Thema heute ist ja klar: Kinder: und wenn man Kinder so sieht, die sind oft ziemlich klein und jung und so, da stellt man sich dann doch die Frage: Wo kommen Kinder denn eigentlich her? Die müssen ja irgendwann zum ersten Mal so aufgetreten und mithin in die Geschichte eingetreten sein, um den Platz einzunehmen, den sie ja heute zweifelsohne überall wegnehmen
(Anm.1).

Schwarz: Tja, vor der Entwicklung kulturgeschichtlicher Betrachtungen in Bezug auf das Kind gab es verschiedene Legenden, die sich um die Entstehung von Kindern rankten, das waren einerseits Hypothesen derart, daß Kinder, z.B. hier im deutschen Sprachraum wurde diese Legende gehandelt, daß Kinder in Kohlköpfen
(1) heranwachsen, dann natürlich die gängige Formel, daß der Storch die Kinder bringt (2). In den ...

Kuttner: Das hat sich ja heute bis zum Überraschungs-Ei, nicht Überraschungs-Hai, Überraschungs-Ei.

Schwarz: Das ist der weiße, der weiße Hai ist der Überraschungs-Hai
(Anm.2).

Kuttner: Ja, ja ... fortgeschleppt.

<Schwarz: Z. B. im Mittelmeerraum gibt es die Legende, daß Kinder aus Lehm gemacht werden, und man ist erst in jüngster Zeit auf die Entstehung des Kindes an sich in der Entwicklung der Menschheit gestoßen. Das Kind ist, wenn wir den Gesamtmaßstab der menschlichen Zivilisation anlegen, noch nicht so alt.

Kuttner: Also jetzt einmal historisch: Die Menschheit ist mehrere Millionen Jahre alt, die Schätzungen gehen hin bis zu einer Milliarde (3), während Kinder sind ja in der Regel eher zehn, elf Jahre alt.

Schwarz: Die Abkunft des Menschen datiert ungefähr vor einer Millionen Jahre und das erste Mal, daß Kinder auftreten, ist ungefähr 1251, 1252. Da gibt es in den entsprechenden Urkunden einen Wischfehler, offensichtlich wurde dort mit den affigen Puffärmeln der Schriftkundigen über die Tinte gewischt und deshalb kann man das nicht genau festlegen, ob es 1251 oder 1252 war.

Kuttner:
Und wo wurden die dann zuerst gesichtet? Einige sprechen ja von Südengland. Ich weiß nicht warum ...

Schwarz: Nee, Südfrankreich ...

Kuttner: Südfrankreich? Achso?

Schwarz: Ja, Südfrankreich in Avignon. Dort sind ja auch eine Reihe von Kinderliedern entstanden: Zürle Pong Awinjong

Kuttner: Ah ja!

Schwarz: Und, nein, sur le pont d'Avignon, d'Avignon heißt das ja eigentlich, und die Entstehung der Kinder resultiert eigentlich aus ...

Kuttner: Da wollte ich jetzt gerade nachfragen. Es muß ja einen Grund haben, daß man auf die Masche verfallen ist, jetzt auf einmal Kinder zu machen. Denn bis 1251, 1252, den Wischfehler wollen wir jetzt mal nicht so genau nehmen, wir sind ja hier im Radio, da ist das, glaube ich, nicht so interessant, das eine Jahr macht ja nicht allzu viel, aber bis dahin ging es ja auch ganz gut ohne Kinder.

Schwarz: Ja, es ging sehr gut ohne Kinder. Das ist auch eine These, die sich heute wieder mehr verbreitet, daß es sehr gut ohne Kinder geht. Du hast schon gesagt, daß die Kinder gemacht wurden. Und auch heute noch werden Kinder gemacht, das trifft es eigentlich, denn Kinder wurden 1251 notwendig.

Kuttner: Aha, warum?

Schwarz: Es kam zu einem Fehler. Es gab dort eine Werkstatt, die sich mit der Herstellung von Hämmern, von Sägen und von...

Kuttner: ...Sicheln
(4)...

Schwarz: ...ja, auch von Sicheln und vor allem von Handbohrern beschäftigte. Avignon ist eine alte Werkzeugmacher-Stadt, das ist bekannt...

Kuttner: ...Avignoner Hammer...

Schwarz: Ja, ja

Kuttner: Kennt man.

Schwarz: Jedenfalls bei der Entwicklung eines neuen Handbohrers mit Schwungmasse, mit einem sogenannten Schwungrad, der das Handbohren wesentlich erleichtern sollte, kam es durch - was weiß ich - Trunkenheit, Unachtsamkeit, kam es jedenfalls zur Entdeckung des Brummkreisels.

Kuttner: Oha.

Schwarz: Also ein Handbohrer, der praktisch mit der Schwungmasse nicht dezentriert wurde, sondern zentriert wurde und deswegen beim Raufdrücken sich als Brummkreisel erwies.

Kuttner: So daß wir dann in Avignon, in Südfrankreich, die einmalige historische Voraussetzung für die Entstehung von Kindern hatten: nämlich eine Brummkreiselschwemme.

Schwarz: Ja, es kam durch diesen Produktionsfehler zu einer Brummkreiselschwemme. Und...

Kuttner: Auch Spring..., also so Seile sollen massenhaft rumgelegen haben im frühen 13. Jahrhundert in Avignon.

Schwarz: Das ist - wir haben uns ja vor der Sendung schon unterhalten - das ist nun wieder lokalisiert in Südengland.

Kuttner:
Aha, dann habe ich das jetzt durcheinander gebracht. Diese Schlüpfergummi-Schwemme, wo war die denn? Woraus dann später die Gummihopsen, also die Schlüpferhopsen-Schwemme?

Schwarz: Das ist ein wenig später, das ist die große Gürtelnot von 1661
(5). Die war aber in Worms.

Kuttner: Interessant. Wir müssen jetzt aber weitermachen, wir stehen jetzt in Avignon im Jahre 1251, 1252, Wischfehler.

Schwarz: Es gibt die...

Kuttner: ...die Brummkreiselschwemme.

Schwarz: ...die Brummkreiselschwemme und die Stadträte haben sich natürlich gefragt, was machen wir mit dem Zeug, wir werden es nicht los und konzipierten eine im Grunde genommen ziemlich moderne Marketing-Strategie: Es gibt keinen Markt dafür, wir müssen uns das Marktsegment selber schaffen. Wir müssen uns also eine Volksgruppe ersinnen, die mit Brummkreiseln umgehen kann, die mit Brummkreiseln etwas anfangen kann. Ein genialer Vorgriff, wenn man sich einmal den geistigen Horizont der damals lebenden Menschen vorstellt: Einen Brummkreisel brauchte niemand!

Kuttner: Ja. Wer braucht den im Grunde auch heute? Einen Brummkreisel.

Schwarz: Ein Ding, was sich dreht und brummt, wer braucht das? Und das außerdem sehr klein ist, das auf den Boden gestellt wird, wo man sich bücken muß, ein Erwachsener müßte sich bücken, um einen Brummkreisel zu bedienen. Und da hat man sich gesagt: Wir werden eine Gruppe kleinerer Menschen schaffen, die sich den Tag über mit dem Drehen und Brummen, mit dem Brummen des Brummkreisels beschäftigen kann und vor allem auch will.

Kuttner: Und das war dann die eigentliche Entstehung der Kinder überhaupt?!

Schwarz: Daher kommen die Kinder. Man hat dort nämlich verschiedene Untersuchungen gemacht, wie groß ungefähr eine Menschengruppe sein müßte, die sich mit Brummkreiseln zuvörderst beschäftigen kann...

Kuttner: ...damit die sich nicht allzu weit bücken muß, nicht von vornherein gewissermaßen _

Schwarz: Und man hat dann festgestellt, daß es eine Höhe sein müßte - damals sind die Menschen übrigens nicht so groß geworden wie heute, ungefähr 1,60 m
(6) - es müßte also eine Höhe sein, hat man pi mal Daumen gesagt, von ungefähr bis zum Kinn.

Kuttner: Bis zum Kinn?

Schwarz: Bis zum Kinn.

Kuttner: Und da sind wir, glaube ich, auch schon bei dem etymologischen Rätsel. Also selbst moderne Wörterbücher können ja den Begriff Kind eigentlich nicht erklären
(Anm.3), wissen eigentlich nicht, woher es kommt.

Schwarz: Begriffsgeschichtlich kommt das vom »bis zum Kinn reichen«. "Kinden", "ankinden" heißt ans Kinn stoßen, daher Kind eigentlich.

Kuttner: Ah, ja. Da gibt es ja noch die Unterscheidung... Viele Leute unterscheiden Kinder ja gerne nach, ähm, Burschen, nee, Burschen nicht, Jungs, Mädels...

Schwarz: Knaben und...

Kuttner: Mädels und Knaben, Mädchen und Knaben. Maiden.

Schwarz: Maiden.

Kuttner: Maiden und Knaben.

Schwarz: Es waren zunächst erstmal nur Knaben. Man hatte eine erste Versuchsreihe gemacht, die ist noch kleiner ausgefallen als nur bis zum Kinn, sie reichte nur bis zum Bauchnabel: Nabel - Knabe, das ist klar
(7).

Kuttner: Ja, so eine Wortverschleifung.

Schwarz: Hier haben wir die etymologische Verbindung. Nach der Lautverschiebung kam es dann zur Entwicklung des Lauts Knaben
(Anm.4).

Kuttner: Avignoner Lautverschiebung, die Avignoner Lautverschiebung
(Anm.5).

Schwarz: Nach dem großen Hitzesommer 1262 war das, genau.

Kuttner: Das ist ja schön; ich denke, daß wir dieses Thema jetzt doch relativ erschöpfend behandelt haben - eigentlich.

Schwarz: Ja.

Kuttner: Du mußt jetzt wieder auf den Spielplatz?

Schwarz: Ja, ich muß jetzt wieder auf den Spielplatz ...

Kuttner: Das Springseil wartet. Noch einen schönen Gruß nach Deutschland?

Schwarz:
Ja: Hallo nach Deutschland sage ich einfach mal.

Kuttner: Ja, vielen Dank. Tschüß, Stefan Schwarz.

Schwarz: Schönen Sprechfunk noch. Wenn Sprechfunk, dann Kuttner.










Anmerkungen

Anm1: Eine flüchtige Hochrechnung bestätigt die erschreckende Tendenz, die in der kurzzeitig tränenerstickten Stimme Dr. Jürgen Kuttners ihren Widerhall fand. Wenn man davon ausgeht, daß ein Kind mindestens 30 Quadratzentimeter okkupiert, ergibt sich bei einer geschätzen Zahl von 2,4 Mrd. Kindern eine Fläche von 7.200.000.000 Quadratzentimetern. Daß der akute Mangel an Parkplätzen und vor allem GROSS-SCHACHANLAGEN (sic!) hierin seine vermutlich wichtigste Ursache hat, dürfte wohl ausschließlich von Pädophilen bezweifelt werden! Und nicht umsonst kommt die creme de la creme der Großschach-Großmeister aus den fast unendlichen Weiten Rußlands. Im übrigen beziehen sich die o. g. 30 Quadratzentimeter entgegenkommenderweise auf stillstehende Kinder, als wenn es sowas gäbe....
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Anm.2: Das gilt, um an dieser Stelle ein einziges mal dem Gedanken der politically correctnes nachzugeben: das gilt auch für alle andersfarbigen Haie, deren Auftauchen von Ozeanschwimmern immer wieder als durchaus überraschend empfunden wird, obgleich beim heutigen Zahlenverhältnis von Ozeanschwimmern zu Haien (ca. 1: 8300) eher das Auftauchen von Ozeanschwimmern für Haie eine Überraschung sein sollte - freilich eine willkommene, wie Haipsychologen nicht müde werden zu betonen.
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Anm.3: mit Empörung stellen wir hierzu fest, daß selbst ein so angesehener und gemeinhin als zuverlässig geltender Verlag wie der Dudenverlag aus offensichtlicher Geltungssucht nicht davor zurückscheut so an den Haaren herbeigezogene etymologische Erklärungen wie die folgende anzubieten, von deren Fadenscheinigkeit sich der geneigte Leser selbst überzeugen kann:
"Kind: Mhd.kint, ahd. asächs. kind und niederl. kind gehen auf das substantivierte 2.Partizip germ. *kénPa-, *kenda-, "gezeugt, geboren" zurück. Eng verwandt sind die nord. Sippe von aisl. kind "Geschlecht, Stamm" sowie die ablautende Bildung aisl. kundr "Sohn, Verwandter"."
Das können nur Leute schreiben, die selber keine Kinder haben!
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Anm.4: Hierzu eine Bemerkung rein wissenschaftspropagandistischen Zuschnitts: "Die wesentliche Funktion des Sprachlautes ist es, Träger von Bedeutungsunterscheidungen zu sein." (Kleine Enzyklopädie: Die Deutsche Sprache. Band 2, Leipzig 1970, S.752) Das sei allen ins Stammbuch geschrieben, die immer noch auf der hohlen Phrase vom "bedeutungsvollen Schweigen" herumreiten. Andererseits gibt es tatsächlich eine Reihe menschlicher Laute, denen die wesentliche Funktion der Bedeutungsunterscheidung nicht mehr eignet, wovon man sich z.B. ab 23.30 Uhr im "Torpedokäfer", jener in der Dunckerstraße im Berliner Stadtbezirk Prenzlauer Berg befindlichen und nach einem Wort Franz Jungs benannten Literatenaufschwemme vergeblich bedeutungshungrigen Ohres überzeugen kann.
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Anm.5:
Zum Hintergrund der Avignoner Lautverschiebung nur soviel: Ihr zugrunde lag ein einstimmig gefaßter Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung Avignon-Mitte, die damit dem unerträglichen Lautsein im Innenstadtbereich jenes "Rhone-Athens", wie Avignon seiner vielen griechischen Restaurants wegen genannt wird, oder auch "Rhones-Florenzes", wie es wegen seiner keinesfalls geringeren Zahl an italienischen Restaurants gleichfalls genannt wird, Paroli zu bieten. In einer einzigartigen phonokinetischen Aktion gelang es den damit beauftragten zuständigen Organen den Lautschwerpunkt deutlich zu verlagern. Am lautesten ist es jetzt in Sur-le-Pont, der berüchtigten südfranzösischen Autobahnbrücke, ca. 32 km abseits Avignones.
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Fußnoten

(1) Quatsch! zurück

(2) auch Quatsch! Wenngleich der von 1904 bis in den Spätsommer 1907 praktizierende und zu grausamen Scherzen neigende Kinderarzt Dr. Johannes Maria Storch aus Warstein tatsächlich Kinder brachte. Allerdings nur um den Verstand. zurück

(3) Falsch! zurück

(4) eine postbolschewistische Anspielung Kuttners, die der Experte Stefan Schwarz zu übergehen suchte, um sich so den herrschenden Verhältnissen durch geflissentliche Auslassungen anzudienen und sich durch sein bewußt lückenhaft gehaltenes "Fachwissen" restaurativen Kräften als ideologischer Schubiak zu empfehlen. zurück

(5) Vgl. dazu Rolf-Michael Sartorius: Die losen Wamse von Worms. Krisen der Kleiderhaltmittel in der frühen Neuzeit des Deutschen Reiches. Freiburg i.Br. 1912. (7 S., ohne Abb.)) zurück

(6) mit Verbitterung stellen die Autoren fest, daß auch heutzutage noch viel zu viele Menschen nicht allzu groß werden. 1,60 m ungefähr nämlich, wie die Autoren z.B. zurück

(7) Nun ja, "klar" ist durchaus ein Begriff, den als "unscharf" zu attribuieren hin und wieder durchaus angemessen scheint. zurück